Sonntag, 31. Mai 2015

Halbjahresbilanz, Teil 2

Wie wir unsere Route im Detail planen • Warum WikiCamps ein "game changer" ist • Weshalb unser iPad zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen gehört • Welche unschlagbaren Vorteil ein andersartiges Reisemobil bietet

Im Teil 1 habe ich bereits die Routenplanung im Grossen erläutert, nun möchte ich noch die Routenplanung im Kleinen und einen Teil unser Ausrüstung beleuchten.

Neu und täglich mehrfach im Gebrauch: Handwaschtank (16 Liter)

Im Prinzip sind wir mit derselben Ausrüstung in Australien unterwegs wie 2010/2011, ausser dass wir nun für eine Woche autark unterwegs sein können (u.a. mehr Wasserreserve, Zusatzbatterie, Toilette, Dusche, Grauwassertank, Markise gegen die Sonne). Trotzdem reisen wir anders. Der Hauptgrund dafür ist die App WikiCamps Australia (mittlerweile auch für USA, Kanada und andere Länder). WikiCamps gehört in die Kategorie der geographischen Informationssysteme (GIS) und läuft auf Tablets und Smartphones. Auf einer Landkarte sind Camps und Sehenswürdigkeiten verzeichnet. Die Camps können offizielle Campings, oder “wilde” Sites sein, an den Camping erlaubt, toleriert oder auch verboten ist. Die Informationen werden getreu dem Wiki-Prinzip von den Benutzern selbst erfasst, erweitert und gepflegt. Camps sind mit GPS-Koordinaten, Telefonnummern, Web-Adressen, Sterne-Bewertung, Benutzerkommentaren, Preisen und Fotos versehen. Oft sind die Kommentare fast tagesaktuell, denn WikiCamps lädt Updates selbständig über das Internet hoch oder runter. WikiCamps hat den Camping-Markt in einem gewissen Sinn transparent gemacht, was viele mittelmässige Caravan Parks durchaus zu spüren bekommen dürften, die schlaueren unter ihnen nutzen WikiCamps bereits als Marketinginstrument ("Please write a favourable comment on WikiCamps" entsprechend "Please like us on Facebook").

Die Zahlen sind Platzhalter für die Anzahl Einträge im jeweiligen Gebiet

Detailansicht (Karte)

Informationsübersicht zu einem Camp (nicht gezeigt sind hier Comments, Prices, Photos)

WikiCamps hat, wie gesagt, unsere Art zu Reisen verändert: wir wissen nun ziemlich genau, was die einzelnen Camps bieten, ob es sich lohnt $40 für einen Platz auf einem Caravan Park zu bezahlen, ob das Nationalpark-Camp für $15 schön und lohnenswert ist, oder ob wir lieber 40 km Umweg zu einem kostenlosen Camp fahren sollen, wo es auch ein Toilette, Schatten oder Mobil-Empfang gibt. Bereits 2010 haben wir uns vor allem auf Verzeichnisse von legalen Camping-Möglichkeiten gestützt (die Buchreihe «Camping in … (z.B. Victoria)» von Craig Lewis und Cathy Savage war unser Favorit) und hatten eher selten selbst einen Ort ausgespäht. Denn letzteres kann zeitaufwändig und energieraubend sein, abgesehen davon dass man meist etwas durch die Geographie kurven muss und am Ende doch nicht sicher ist, ob Camper dort toleriert sind. Der Aufwand kann sich aber auch sehr lohnen. Mit WikiCamps steuern wir Camp Sites punktgenau an und wissen dank Benutzerkommentare auch, ob der Weg z.B. schlecht ist, und wir zusätzliche Fahrzeit einplanen müssen (im Moment ist es um 17:30 bereits dunkel). Natürlich haben die meisten anderen Reisenden auch WikiCamps, sodass es seltener geworden ist, ein schönes Plätzchen (fast) für sich allein zu haben. Doch listet WikCamps so viele Sites auf, dass man mit etwas Kommentar- und Kartenstudium rasch darauf kommt, welche Sites einfach anzufahren und deshalb gut besucht sind. Gerade all die Backpackers (junge Reisende mit knappem Budget) mit ausgebauten Toyota-HiAce-Lieferwägelchen oder Holden-Commodore-Kombis sowie die Scharen von Grey Nomads (Pensionierte mit (über-)grossen Wohnwagen—mehr dazu mal in einem späteren Blog-Eintrag) müssen passen, wenn die Zufahrt ruppig ist.

Mehr ist "besser" … oder auch nicht: Dreiachswohnwagen

WikiCamps hilft uns also in der Feinplanung, wenn es darum geht, einen Platz fürs Übernachten zu suchen, doch gibt es noch eine Planungsstufe zwischen der Grobplanung aufgrund von Klima und Wetter und den lokal verfügbaren Camping-Spots: die eigentliche Fahrroute. Diese erarbeiten wir uns aufgrund von
  • Reisetipps von unseren Freunden und Bekannten in der Schweiz und in Australien: Danke vielmals Catherine, David, Gaby, Jane, John, Julie, Lee, Michael, Norm, Peter, Peter, Phill, Reto, Ross, Susanna
  • Reisetipps von anderen Reisenden
  • Lonely-Planet-Reiseführeren (als PDF auf dem iPad)
  • Regionalen und lokalen Broschüren der Tourismusorganisationen
  • 4WD-Trackbeschreibungen (Bücher, Broschüren, Internet)
  • WikiCamps-Sehenswürdigkeiten mit hohen Ratings und entsprechenden Kommentaren und Bildern
Reisetipps und Sehenswürdigkeiten tragen wir mit Bleistift (oder markieren mit Leuchtstift) in den HEMA / ARB Australia Road Atlas (10th Edition, spiralgebunden) ein, den uns Peter und Catherine geschenkt haben. Dieser Atlas ist zwar “nur” im Maßstab 1:2’500’000 (1 cm ≙ 25 km), aber das reicht für eine Übersicht und oft auch fürs Fahren, denn die Strassendichte ist meist eher klein). Ich habe anfangs versucht, diese Informationen in ein GIS (siehe oben) einzutragen, fand aber nichts für Mac oder iPad, das einfach zu bedienen ist und ohne Internet-Verbindung läuft. Der Vorteil eines GIS wäre, dass man die Informationen, wenn sie einmal erfasst sind, auf viele Arten filtern und darstellen könnte, so wie das WikiCamps macht. WikiCamps ist aber auch nicht die Lösung, weil alles, was man da erfasst, öffentlich wird.


Hat es mehrere mögliche Strassen oder Wege auf kleinem Raum oder sind diese nicht im Road Atlas verzeichnet, dann hilft uns die iPad App HEMA 4WD Maps ($100), die eine 1:300’000-Karte (1 cm ≙ 3 km) von ganz Australien plus praktisch alle Papierkarten von HEMA (inkl. Spezialkarten für 4x4-Routen und Wüsten) enthält. Damit kann man kaum mehr verloren gehen. Leider ist HEMA noch nicht über die Pixel-Karten herausgekommen, die ja nicht mehr Detail enthüllen, wenn man tiefer hineinzoomt, sodass wir für die Navigation in Städten ein normales Strassennavigationssystem verwenden (“In 300 Metern rechts abbiegen!”), das letztlich aber auch wieder nur eine App für das iPad ist (TwoNav mit Karten für Australien).

Es ist mittlerweile wohl ziemlich augenfällig geworden, dass bei uns der Navigator (wir wechseln uns täglich ab) neben dem HEMA-Atlas praktisch nur noch das iPad verwendet. Auf dem iPad sind zudem noch sämtliche Handbücher und Reparaturanleitungen für unser Fahrzeug, eine Motordiagnosesoftware, die Gebrauchsanleitungen für alle mitgeführten Gerätchen und Werkzeuge, Apps für Wetter und Wetterprognose, eine App für die aktuellen Dieselpreise fast aller Tankstellen Australiens, etc. Auch die NZZ-Folio-App darf nicht fehlen. Und weil das iPad von Natur aus wenig griffig und kaum gegen Rempler —und schon gar nicht gegen den freien Fall — geschützt ist, haben wir ihm eine dicke und griffige Gummihülle von Gumdrop verpasst. Damit bleibt das Tablet auch auf Schotterpisten auf dem Oberschenkel liegen, sodass der Navigator wenn nötig beide Hände frei hat. Der Akku des iPad reicht meist locker für einen Fahrtag.


Wie bereits vor fünf Jahren, erweist sich unser etwas … ääh … auffälliges … Reiseauto als Kontaktvermittler erster Güte: die Australier bilden sich ein, den 4WD-Markt zu überblicken — was sie generell auch tun —, und plötzlich ist da ein offensichtliches Geländefahrzeug, das sie nicht einordnen können. So werden wir fast täglich angesprochen und beantworten geduldig die immer-gleichen Fragen, denn das Gespräch ist für uns stets auch ein Anknüpfungspunkt für Konversationen ausserhalb von Technik und Offroad. Mittlerweile haben wir darin eine Meisterschaft entwickelt und erfahren so die geheimen Camping-Perlen und gut gehüteten Reisetipps der Einheimischen. Manchmal machen uns die Leute Angebote, sie zuhause zu besuchen oder auf ihrem Grundstück zu übernachten. Wer beim Reisen den Kontakt mit anderen sucht, dem sei empfohlen, unkonventionell unterwegs zu sein — zu Fuss mit einer Schubkarre ist sicher der Bringer, aber auch ein originelles Reisemotorfahrzeug (z.B. ein umgebautes Feuerwehrauto) funktioniert sehr gut.


Natürlich ist unser Fahrzeug auffällig und bleibt den Leuten im Gedächtnis («Wir haben Euch bereits von einem Monat in Albany gesehen»), und wir können uns dadurch nicht in der anonymen Masse der Reisenden verstecken, aber die Vorteile überwiegen klar. Dasselbe “Schicksal” ereilt Emma aus Schweden und Rob aus England, die mit einem Landrover Jahrgang 1968 durch Australien reisen: auch sie werden sehr häufig angesprochen und erhalten so die Möglichkeit zu interessanten Kontakten.


Fortsetzung im Teil 3.

2 Kommentare:

  1. Als Navi gibt's nun übrigens die Nokia-Karten auch fürs iPhone: HERE nennt sich die App. Die Karten sind gratis und lassen sich offline benützen.

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